Wir feiern in „meiner“ Gemeinde Gottesdienste nach einem neuen Konzept. Ich behaupte: das ist ziemlich einmalig. Aber wie ist es die ersten Monate gelaufen? Wie war das Feedback, kamen mehr oder weniger Leute? Hier kommt eine erste Auswertung!
Ende Oktober 2022 haben wir in „meiner“ Gemeinde ein neues Gottesdienstkonzept eingeführt. Eine ausführliche Erklärung findest du hier. Die Grundidee ist: du kannst deinen Gottesdienstbesuch bei uns so planen wie einen Theaterbesuch. Wenn du wissen möchtest, wie das in der Gemeinde vor Ort konkret aussieht, schau gerne hier vorbei.
Was ist das für ein neues Konzept?
Also: im Theater gibt es meistens pro Spielzeit verschiedene Stücke, die dann identisch an mehreren Terminen aufgeführt werden. Wenn man also mal wieder in ein Theater gehen will, dann geht man nicht „einfach so“ (sozusagen „blind“) hin, sondern informiert sich vorher: Welches Stück gefällt mir? Und an welchen Tagen passt es bei mir zeitlich?
Genauso bei uns jetzt seit rund drei Monaten: pro „Spielzeit“ (ein Gemeindebrief-Zyklus von drei Monaten) gibt es bei uns vier verschiedene Gottesdienste. Diese vier Gottesdienste gibt es 3-4 Mal in quasi identischer Form (gleiche Predigt, gleicher Ablauf, gleiche Lieder etc.).
Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel (genauso wie im Theater auch): Wir haben in diesem Zeitraum auch „Einzelgottesdienste“ wie eine Goldene Konfirmation oder Weihnachtsgottesdienste gefeiert.
Ich hoffe, dass das als kurze Erklärung genügt – sonst schau am besten hier in der ausführlichen Erklärung nochmal rein. Jetzt kommen wir zur Auswertung!
Die Startzeit
Es war gar nicht so leicht das neue Konzept zu erklären. Wir haben es im Gemeindebrief groß dargestellt, wir haben einen neuen Gottesdienst-Flyer jetzt fest eingeführt… und in den meisten Fällen wurde es auch gut und schnell verstanden. Aber es gehörte zu den ersten drei Monaten auch dazu, dass es immer wieder (mal) erklärt werden musste.
Das Feedback vorab war durchweg „positiv-gespannt“. Einzig am Punkt, dass es nicht jede Woche eine andere Predigt geben sollte, störten sich einige bzw. waren skeptisch.
Aber: es gab von Beginn an großes Interesse und mich erreichten viele Nachrichten, dass jemand auf den einen oder anderen Gottesdienst schon sehr gespannt ist und an dem oder dem Datum es auch schaffen wird vorbeizukommen.
Meine subjektive Wahrnehmung
Wir hatten keinen „leeren“ Gottesdienst in dieser Zeit. Es fühlte sich jeden Sonntag gut gefüllt an. Außerdem besonders auffällig: subjektiv habe ich sehr viele neue Gesichter gesehen und auch sehr viele, die schon länger nicht mehr da waren oder die man mal bei einer Taufe und dann länger nicht mehr gesehen hatte. Also rein subjektiv fühlte es sich für mich durchweg gut und erfolgreich an.
Die persönlichen Rückmeldungen waren begeistert und fröhlich.
Und was mich besonders gefreut hat: es kamen auch einige der „skeptischen Stimmen“ zu mir und drückten ihre Freude über die „volle“ Kirche aus. Ich habe das jetzt schon mehrfach erlebt: ja, es gibt diejenigen, die „ihren“ Gottesdienst einfach behalten wollen. Aber es gibt auch viele, die zwar am liebsten ihren klassischen Gottesdienst feiern möchten – jedoch sich am Ende auch einfach sehr freuen, wenn ihre Gemeinde lebt und gut besucht ist.
Die Anlässe werden genutzt!
Was auch schnell aufgefallen ist: es kamen zu den unterschiedlichen Gottesdienst-Stücken unterschiedliche „Gemeinden“. Damit meine ich: die Überschneidung zwischen Lobpreis- und Orgel-Gottesdiensten waren überschaubar. Genauso kamen aber manche auch explizit zur Wohnzimmerkirche und andere zum Lagerfeuer-Gottesdienst.
Dies entspricht genau unserer Erwartung bzw. Hoffnung: wir geben mit unseren verschiedenen Gottesdiensten wirklich verschiedenen Menschen Anlässe in unsere Gottesdienste zu kommen.
Das Feedback vor Ort
Mit dem neuen Konzept ist auch ein neues Gottesdienst-Feedback eingeführt worden. Jede:r Besucher:in erhält die Möglichkeit 1-5 Sterne zu vergeben (wie bei Amazon) und zusätzlich etwas dazu zu schreiben. Die Zettel erhält man am Eingang oder sie werden während der Gemeindenews am Ende des Gottesdienstes herumgegeben. Das persönliche Feedback kann man dann anonym am Ausgang in eine Feedback-Box werfen.
Dieses Feedback war äußerst gut für die vier Gottesdienst-Stücke der letzten Spielzeit:
Orgel-Oho 4,7 (22 Bewertungen)
Wohnzimmerkirche 4,9 (60 Bewertungen)
Lagerfeuer & Abendmahl 4,7 (67 Bewertungen)
Lobpreis by Haven 4,8 (59 Bewertungen)
Natürlich haben nicht alle Besucher:innen Feedback abgegeben, aber die Rückmeldequote ist aus meiner Sicht ausreichend gut. Insgesamt 208 Bewertungen bei 694 Besucher:innen. Also eine Feedbackquote von rund 30%.
Die schlechteste Bewertung bestand aus 3 Sternen. Einziger mehrfach aufgetretener Kritikpunkt war, dass auch die Predigt innerhalb der gleichen Gottesdienste identisch ist. Hier wurde sich von ungefähr 10 Personen mehr Abwechslung bei der Predigt gewünscht.
Hier muss natürlich insgesamt beachtet werden, dass dieses Feedback weniger das neue Konzept meint. Es bezieht sich auf die einzelnen Gottesdienste. Dass diese vier Gottesdienste gut ankommen bestätigt uns jedoch darin, dass es sich lohnt stärker auf Qualität statt Quantität zu setzen.
Die Besuchszahlen
Ich nehme für diese Auswertung alle Einzel-Sondergottesdienste aus. Das betrifft konkret für die letzten drei Monate: eine Goldene Konfirmation, einen Eröffnungsgottesdienst der Allianz-Gebetswoche und die drei Weihnachtsgottesdienste an Heiligabend. Am 1. Weihnachtsfeiertag haben wir einen Gottesdienst innerhalb des neuen Konzeptes gefeiert (Lagerfeuer&Abendmahl) und entsprechend nehme ich ihn die Auswertung mit hinein.
Wir sprechen also insgesamt über 12 Gottesdienste. Vier verschiedene, die jeweils dreimal quasi identisch wiederholt wurden.
Durchschnitt & Gesamtbesuch
Wir hatten insgesamt 694 Besucher:innen. Dies entspricht einem Schnitt von 57,8. Dies muss man natürlich vergleichen mit dem gleichen Zeitraum und auch ohne vergleichbare „Sondergottesdienste“ wie Heiligabend. Ich habe erst im April 2019 in der Gemeinde angefangen und kann daher erst ab April 2019 auf vergleichbare Zahlen zurückgreifen.
2019/20: 606 Besucher:innen | 13 Gottesdienste | 46,6
2020/21: 514 Besucher:innen | 13 Gottesdienste | 39,5
2021/22: 519 Besucher:innen | 13 Gottesdienste | 39,9
2022/23: 694 Besucher:innen | 12 Gottesdienste | 57,8
Natürlich sind hier auch Corona-Zeiten inkludiert und Vergleiche sind immer schwierig. 2019 war mein erstes Jahr, 2020/2021 gab es viele digitale Gottesdienste… aber bei aller Vorsicht: für uns waren die letzten drei Monate die durchschnittlich und insgesamt bestbesuchten Monate seitdem ich hier in der Gemeinde bin.
Besuchszahlen je Gottesdienst
Wir haben in jedem Gottesdienst per Handzeichen abgefragt, wer zum ersten/zweiten/dritten Mal dabei ist. Diese Ergebnisse weichen von den (vom Küster) gezählten Besuchszahlen deshalb leicht ab – außerdem haben wir die digitalen Besucher:innen (Livestream) hier auch nicht mitgezählt. Trotzdem zeigen die folgenden Auswertungen sicherlich ein sehr klares Bild.
Die allermeisten Menschen haben die (identischen) Gottesdienste nur einmal besucht. Das entspricht unserer Erwartung: es gibt immer mehr Menschen die anlassbezogen, aber nicht in besonders hoher Häufigkeit einen Gottesdienst besuchen.
Was wir nicht überprüft/abgefragt haben: wieviele der Besucher:innen z.B. mehrere oder sogar alle vier Formate besucht haben. Hier kann ich nur subjektiv beitragen: einige habe ich in mehreren Formaten gesehen, aber im Großen und Ganzen waren es auch je Gottesdienst-„Stück“ sicherlich mehr als die Hälfte „andere“ Besucher:innen.
Ich kann es nicht mit Zahlen belegen, da wir in den Vorjahren keine vergleichbaren Auswertungen gemacht haben. Aber ich gehe davon aus, dass stimmt: wir haben in den letzten drei Monaten nicht nur in der Gesamtzahl mehr Gottesdienstbesucher:innen, sondern wir haben vor allem sehr viel mehr verschiedene Menschen in unseren Gottesdiensten begrüßen dürfen.
Eine klare Tendenz bei der Entwicklung der Besuchszahlen lässt sich darüber hinaus nicht ablesen. Es wird nicht mit jedem Mal weniger oder mehr oder dergleichen. Tendenziell war der zweite Gottesdienst aber immer der am schlechtesten besuchte.
Mediale Aufmerksamkeit
Was zu dieser Auswertung auch gehört: wir haben eine beachtliche mediale Aufmerksamkeit für das neue Konzept erhalten. So gab es in einer reichweitenstarken Vorabendsendung im NDR-Fernsehen einen kleinen Beitrag über unsere Wohnzimmerkirche und den Orgel-Oho!-Gottesdienst. Außerdem wird es in den kommenden Tagen einen Bericht im Lokalteil der Bild-Zeitung geben. Der Bild-Bericht erscheint ja erst noch, der Fernsehbeitrag kam auch erst, als nur noch zwei der 12 Gottesdienste anstanden. Ich gehe davon aus, dass die Besuchszahlen daher von diesen beiden Beiträgen nicht bzw. nicht sonderlich beeinflusst sind.
Aber: ich finde es spannend, dass auch „die Medien“ über Kirche gerne positiv berichten! Dort, wo es eben etwas Neues und vielleicht eher Unerwartetes gibt, da wird – so meine Erfahrung – gerne und gut berichtet.
Zusammenfassung & Ausblick
Für uns waren die ersten drei Monate ein großer Erfolg. Das subjektive Empfinden war positiv, das schriftliche Feedback sehr gut. Wir haben nicht nur mehr Besucher:innen insgesamt, sondern auch einfach sehr viel mehr verschiedene Menschen begrüßen dürfen.
Viel besser hätte es eigentlich nicht laufen können. Anders gesagt: ich habe nicht mit so einem positiven Verlauf gerechnet.
Entsprechend machen wir jetzt weiter mit dem Konzept und sind natürlich gespannt! War das jetzt die Anfangseuphorie? Oder waren es auch einfach vier gute Gottesdienst-Stücke? Am Ende hängt der Zuspruch ja entscheidend von dem jeweiligen Programm ab.
Die „Wohnzimmerkirche“ kam z.B. so gut an, die werden wir wohl von Mai-Juli wieder ins Programm aufnehmen. Und „Lagerfeuer & Abendmahl“ wird zur nächsten Herbst/Winter-Saison auch ganz sicher wieder am Start sein und die Lobpreis-Gottesdienste führen wir sicherlich auch fort und genauso wird es auch weiterhin immer ein „klassisches“ Angebot geben (letztes Mal Orgel, jetzt Bach als Schwerpunkt).
Es gibt einfach sehr viel mehr Menschen da draußen, die durchaus gerne hin und wieder in einen Gottesdienst gehen als häufig in Gemeinden erlebt. Sie gehen nur eben nicht zwingend in unsere klassischen Gottesdienste und auch nicht zwingend jede Woche. Ja, vermutlich auch nicht jeden Monat, sondern vielleicht sogar „nur“ einmal im Quartal.
Und nein, deshalb muss man die klassischen Gottesdienste nicht gleich abschaffen und deshalb geht auch das christliche Selbstverständnis von Gemeinde nicht gleich unter.
Die Frage ist ja am Ende: wollen wir lieber eine kleine „feste“ Gemeinde, für die wir jede Woche ihre Lieblingsspeise kochen oder erweitern wir unsere Karte und freuen uns, dass sehr viel mehr Menschen bei uns zumindest hin und wieder vorbeischauen?
Wir bleiben dabei und bieten ein bunte(re)s Menü als gewöhnlich an. Natürlich mit Einschränkungen (z.B. der nicht wöchentlich wechselnden Predigt), aber – Stand jetzt – überwiegen das positive Feedback und die Besuchs-Resonanz deutlich.
Mehr Infos & Mediathek
Wenn du jetzt konkret wissen möchtest, was bei uns in der Gemeinde in den kommenden drei Monaten auf dem Programm steht, schau doch mal hier vorbei: kap-kirche.de – und übrigens gibt es auch jeden Gottesdienst einmal als Livestream und danach dauerhaft in der Mediathek auf Abruf. Das heißt: egal wo du wohnst, du kannst trotzdem live mitfeiern oder zeitversetzt „nachfeiern“.
Hey Jonas, vielen Dank für diese Godi-Auswertung. Umfassend. Professionell. Ergebnisreich. Ermutigend.
Bleib deinem Stil treu. Gott möge dich/euch dabei weiterhin in und über deine Gemeinde hinaus segnen. Du bist für viele und mehr ein Inspirant und Vorbild.
Cheerio
Beat
Danke dir!
[…] rund drei Monaten hatte ich bereits das erste Mal eine Auswertung gemacht. Jetzt folgt eine zweite Auswertung – nach rund 1,5 Jahren, die wir mit dem neuen […]