Im Vikariat gibt es vieles zum ersten Mal. Z.B. die erste Trauung, die erste Taufe – und auch die erste Beerdigung. Nervosität, eine neue Meinung zum Talar, erste Bekanntschaften mit Bestattern. Und natürlich regnet es am Grab. Aber eigentlich, war es schön. Oder sollte man das bei Beerdigungen lieber nicht sagen?
„Und was kostet das jetzt eigentlich?“ – das war die letzte Frage nach einem längeren Gespräch mit der Witwe des Verstorbenen. Es wurde durchaus wohlwollend aufgenommen, dass wir in Kirche unsere Mitglieder kostenlos beerdigen. Taufe, Trauung, Beerdigung? Alles All Inclusive bei uns!
Mein Vikariat geht schon rund 14 Monate. Manche meiner Vikarskollegen und -kolleginnen haben schon etliche Beerdigungen hinter sich. Bei mir hatte es bislang irgendwie nicht gepasst. Jetzt aber schon. Ein „einfacher“ Fall für die erste Beerdigung. Kein Kind, kein Unfall, keine besonders herausfordernden Umstände. Und das ist auch gut so. Denn das war schon so ausreichend neu und herausfordernd.
Ein Teil des Vikariats
Als Vikar bin ich einer Kirchengemeinde und einem Pastor zugeordnet. Die Gemeinde ist mein Praxis-Ausbildungsort. Mein Pastor ist mein Praxis-Anleiter. Das heißt: Wenn in meiner Gemeinde oder bei meinem Pastor z.B. eine Anfrage für eine Beerdigung reinkommt, dann ist es erstmal auch ein mögliches Lernfeld für mich. Aber: Alleine werde ich in so etwas nicht hineingeworfen. Mein Anleiter bespricht mit mir alles im Vorwege und wir besprechen das Gesehene und Geschehene in Ruhe hinterher.
In diesem Sinne bin ich immer gut vorbereitet. Ich habe Vorlagen meines Anleiters, ich weiß, wie er so eine Beerdigung macht. Ich bekomme von ihm vorher viel Feedback zu meiner geplanten Beerdigung. Und doch… stehe ich am Ende alleine vorne. Stehe ich am Ende am Grab.
Die Vorbereitung
Aber Moment. Wie läuft sowas eigentlich ab? In meinem Fall habe ich zwei Telefonnummern erhalten. Eine von der Witwe, eine von der Bestatterin. Und dazu ein Datenblatt aus dem Gemeindebüro über den Verstorbenen. Das kann aber auch immer etwas unterschiedlich sein.
Anruf bei der Witwe. Terminvereinbarung für ein Gespräch. Anruf bei der Bestatterin. Ort, Zeit und Friedhof stehen schon fest. Für mich zunächst sehr befremdlich: Das beständige Sprechen vom „Kunden“. Für die Bestatterin geht es hier eindeutig um Kunden. Ich merke: Nein, Kunde, das Wort passt nicht zu dem, was die Witwe und was der Verstorbene für mich sind.
Das Gespräch mit der Witwe. Natürlich traurig. Es ist gar keine besondere Dramatik in diesem Fall. Und doch: Der Tod berührt mich. Ich erwische mich mehrfach, wie ich feuchte Augen habe. Nach dem Gespräch bin ich nachdenklich. Mitten am Tag kam der Tod so in mein Leben gesprungen. Nun habe ich etliche Notizen. Und soll daraus eine Ansprache gestalten. Über einen Menschen, den ich eigentlich überhaupt nicht kenne. Nur aus der Erzählung der Witwe.
Im Laufe der Woche finden noch weitere Telefonate mit Witwe und Bestatterin statt. Gibt es jetzt drei oder fünf Lieder? Alles von CD oder brauchen wir doch noch einen Organisten? Und bitte auf keinen Fall zu lang! Die Bestatterin hat noch weitere Kunden. Der Friedhof auch nur feste Zeiten pro Bestattung.
Der Tag X
Dann ist es soweit. Der Ablauf ist erstellt, die Ansprache geschrieben. Es ist nur eine sehr kleine Beerdigung. Wenige Angehörige. Kleine Kapelle. Kleiner Friedhof.
Es regnet. Wie passend.
Und auch wenn ich schon viel über den Talar geschimpft habe. Hier hat er gleich mehrere Vorteile. 1. Ich werde sofort erkannt. Jeder weiß, wer ich bin. 2. Tatsächlich schützt er mich. Er verleiht mir eine gewisse Autorität, die ich, Jonas, gar nicht habe. Aber die mir aufgrund meines Amtes und meiner Funktion zugeschrieben werden. 3. Der Talar ist gar kein so schlechter Regenschutz (merke ich später auf dem Friedhof). 4. Der Talar ist angenehm warm (merke ich auch später auf dem Friedhof).
Und wie war es?
War die Beerdigung gut? Oder die Trauerfeier? Ich weiß gar nicht, wie es richtig heißt… in meinem Ablauf steht „Trauerfeier“. Nennen tue ich es in der Begrüßung Gottesdienst. Wie dem auch sei. War es gut? Keine Ahnung. Ich hatte im Großen und Ganzen ein gutes Gefühl dabei.
Das Nicken der Witwe während der Ansprache. Das Lächeln in einigen Gesichtern, als ich über die versuchten Schummeleien des Verstorbenen beim Mensch ärger dich nicht-Spielen spreche. Viele weinende Gesichter. Aber irgendwie… ist das ja gut, oder nicht?
Am Ende stehen wir gemeinsam im Regen am Grab. Ich lasse Erde auf die Urne fallen. Die Erde schlägt ganz schön laut auf. War das zu laut? Zu doll? Wir sprechen das Vater Unser gemeinsam. Naja. Ich spreche es. Die anderen murmeln mit.
Hinterher drücken mir alle fest die Hand. Bedanken sich für die schöne Trauerfeier. Sagen, dass das sehr tröstende Worte waren. Zu guter Letzt erhalte ich eine Spende für die Kirchengemeinde. War ich jetzt doch nur Dienstleister und die Witwe Kundin? Oder ist das wirkliche Anerkennung? Dank?
Zwei Fragen bleiben
Hinterher bewegen mich vor allem zwei Fragen: Wieviel Dienstleistung steckt in so einer Beerdigung? Und: Habe ich genug von Jesus gesprochen?
Es ist ein schöner Gedanke: Wir begleiten Menschen durch ihr ganzes Leben. Von der Taufe (gehen wir mal von Kindertaufe aus) bis zum Grab. Und doch: Vermutlich beerdigen wir meistens Menschen, die zwar noch Mitglied sind, die wir aber fast nie kannten. Ist das schlimm? Ich weiß es nicht. War die Beerdigung schön? Irgendwie ja. War es ein Dienst an den Menschen? Definitiv. Und was ist mit Jesus?
Eigentlich würde ich gerne nicht im schwarzen Talar, sondern in der weißen Albe (also quasi ein weißer Talar) zur Beerdigung. Denn bei all der Trauer verkörpere ich ja auch die Hoffnung. Dass der Tod nicht das Ende ist. Wer, wenn nicht wir Christen, könnte bei einer Beerdigung gerade nicht schwarz tragen? Sondern weiß?
Ähm, Jesus?
Ich habe – wie ich finde – viel und deutlich über Jesus und die Auferstehung gesprochen. Was ich dabei tunlichst umgehe: Klare Aussagen über exakt den Verstorbenen zu machen. Wo ist er jetzt? Schon bei Gott? Oder noch nicht? Kommen alle Menschen zu Gott? Gibt es ein Gericht? Gibt es eigentlich Himmel und Hölle?
Ich habe eine klare theologische Meinung zu all diesen Themen. Aber hat das seinen Platz auf der Beerdigung? Ich merke: Es ist ein Spagat zwischen tröstenden Worten und theologischen Zweifeln oder Auffassungen.
Was daran allerdings das Schöne ist? Das ist eine neue Herausforderung. Die mir Spaß macht.
Bei Taufe und Trauung ging es mir ähnlich. Das erste Mal? Große Nervosität. Danach? Vor allem Spaß am „dran arbeiten“. Dass es funktioniert, weiß ich jetzt. Dass ich mit einem guten Gefühl hinterher nach hause gehe, weiß ich jetzt auch. Und für alles andere… habe ich ja noch etliche Berufsjahre vor mir.
Ich finde es gut, dass du die Frage nach Jesus stellst. Auch nach 25 Jahren Dienst bewegt sie mich immer wieder aufs Neue.
In einer Beerdigung geht es meiner Meinung nach um zweierlei: Zum einen um die Verkündigung des Evangeliums (viele Menschen erreichen wir ausschließlich bei Beerdigungen), zum anderen um eine liebevolle Darstellung / Würdigung des Lebens eines verstorbenen Menschen. Weder über ihn richten, noch ihn zum Heiligen machen. Ich finde es auch immer schön, wenn sich dabei ein Satz findet, der zum Schmunzeln oder sogar Lachen einlädt.
Und ich stimme Dir zu, dass wir Gottes Gericht in keiner Weise vorweg nehmen dürfen. „Möge er das Licht der Ewigkeit schauen“. Aber nicht: „er ist jetzt im Himmel“
Ich wünsche Dir Gottes Segen und viele gute Erfahrungen bei Beerdigungen!