Heute beginnt für mich als Pastor und uns als Gemeinde ein neues Zeitalter! Wir planen ab sofort in Serien, Staffeln und Folgen. Diese Mischung aus projekt- und netflixorientiertem Arbeiten wird erhebliche Auswirkungen auf meine Arbeit und unsere Gemeinde haben!
Ich habe einen Gedanken schon länger mit mir herumgetragen – und seit heute ist er Wirklichkeit. Naja, zumindest habe ich angefangen, diesen Gedanken Realität werden zu lassen.
Prinzipiell geht es dabei um „projektorientiertes Arbeiten“. Ich möchte und werde meine Arbeit als Pastor so stark wie möglich ab sofort projektorientiert gestalten. Und das betrifft natürlich dann auch meine Gemeinde und die Arbeit die wir dort tun.
Was ist projektorientiertes Arbeiten?
Ich werde in Zukunft versuchen so wenig „feste“ (und damit meine ich: dauerhafte) Gruppen anzubieten. Also nicht: „Wir treffen uns jeden X-Tag von Y bis Z Uhr“. Sondern: „Wir haben hier eine Veranstaltung und die findet an folgenden X Tagen zu diesen Y Zeiten statt“. Statt eines dauerhaften Kreises ein zeitlich beschränktes Angebot.
Nehmen wir Konfirmandenkurse als Beispiel, denn da kennen wir es alle. Der startet meistens einmal im Jahr und vorher ist klar: das wird eines Tages vorbei sein. Nach diesem System möchte und werde ich meine und unsere Gemeindearbeit ab heute verstärkt gestalten – allerdings mit einem kleinen, aber entscheidenden Unterschied zum Konfirmanden-Kurs – und der hat mit Netflix zu tun!
Was sind die Vorteile?
Aus meiner Sicht gibt es mindestens folgende Vorteile:
Vorteil #1: Es ist für alle Beteiligten zeitlich klar umrissen. Weder ich als Planender/Ausführender, noch du als ggf. Mitmachender müssen uns dauerhaft an etwas binden. Unser „Online-Hauskreis“, den wir während Corona gestartet haben, ist da ein Paradebeispiel. Wir haben dieses neue Angebot nicht gestartet und gesagt: ab sofort an jedem Donnerstag (nagut, vielleicht haben wir das in der Werbung leider durchaus mal getan…), sondern wir haben gesagt bzw. wollten sagen: „Wir haben hier ein Angebot für die nächsten 7 Donnerstage immer von 19-20 Uhr“.
Vorteil #2 aus meiner Sicht: Nicht so gute oder nicht so gut laufende Projekte können deutlich einfacher beendet werden und laufen nicht ewig als Ballast mit herum. Oder anders gesagt: man kann ehrlicher Projekte evaluieren und überlegen, ob es sich „lohnt“, dass diese fortgeführt werden. Gleichzeitig enttäuscht man dann aber auch niemanden, wenn man etwas beendet, weil es ja von Anfang an so geplant war.
Das bedeutet konkret für unseren online-Hauskreis: wir hatten jetzt sechs Treffen, eines steht noch aus. Die Beteiligung war gut, die Abende schön. Wird es danach weitergehen? Vielleicht! Wir werden uns das genauer überlegen und es kann auch gut sein, dass wir sagen: es wird eine Fortsetzung geben – aber nicht sofort im Anschluss. Und damit kommen wir zu Netflix!
Was hat das mit Netflix zu tun?
Ich glaube, dass es uns in Kirche gut tut, wenn wir nicht nur projektorientierter, sondern auch netflixiger arbeiten. Und damit meine ich konkret: in Serien, Staffeln und Folgen denken.
Nehmen wir den Online-Hauskreis wieder. Das ist eine „Serie“. Ein Angebot von uns. Es spricht nicht alle an, manche schon. Manche „schalten“ ein, andere nicht. Diese Serie hatte jetzt eine erste Staffel (die ersten sieben Abende). Jeder Abend war sozusagen eine Folge.
Jetzt ist die erste Staffel bald beendet und die Frage wird sein: Setzen wir die Serie fort? Gibt es eine zweite Staffel? Und wenn ja aus wievielen Folgen?
Gemeindeangebote sind wie Serien
Also: möglichst viele Angebote, die ich als Pastor bzw. die wir als Gemeinde ab sofort machen, werde ich wie „Serien“ verstehen. Und jedes Angebot der Gemeinde wird dabei „Staffeln“ haben. Eine Staffel besteht aus einer vorher geklärten Anzahl an Folgen (=Treffen/Abende).
Jede Serie/jedes Angebot hat eine bestimmte Zielgruppe. Und es ist immer vorher klar, dass auch diese Staffel ein Ende haben wird. Aber: jede Serie kann um weitere Staffeln verlängert werden.
Es wird Serien geben, die nach einer Staffel quasi „abgesetzt“ werden. Andere Serien werden über Jahre oder Jahrzehnte laufen. Aber: wir werden uns regelmäßig bei jedem Angebot fragen: machen wir weiter oder ist nach dieser Staffel Schluss?
Gewinner auf allen Seiten
Aus meiner Sicht ist das für jede Gemeindearbeit äußerst gesund. Aber auch für Pastoren, Mitarbeitende und Ehrenamtliche äußerst vorteilhaft. Denn alle Seiten wissen jederzeit, worauf sie sich einlassen. Ich als Ehrenamtlicher muss keine Angst haben, plötzlich „festgefangen“ zu sein. Nach jeder Staffel kann ich sagen: „Leute, das war genug für mich“.
Und das Gemeindeleben? Wird aus meiner Sicht sehr viel lebendiger. Warum?
Es gibt nicht nur GZSZ
Weil es nicht nur GZSZ-Serien gibt. Damit meine ich: Ja, manche Serien werden quasi täglich ausgestrahlt. Seit Jahrzehnten zum Teil. Aber die allermeisten Serien brennen kein „Dauerfeuerwerk“ ab. Bei manchen Serien muss man sogar sehnsüchtig ziemlich lange auf die neue Staffel warten.
Und genau das werden wir in Zukunft auch so machen. Muss es den online-Hauskreis „immer“ geben? Nein. Aber vielleicht gibt es 2 Staffeln pro Jahr. Und dazwischen? Haben alle Beteiligten Zeit für andere Dinge. Unter anderem auch für Vorfreude auf die neue Staffel. Die Mitmachenden können aber schauen, ob sie andere spannende Angebote/Serien finden. Und die „Ausführenden“ können andere Serien mit einer anderen Zielgruppe z.B. „ausstrahlen“.
Konkret für mich: Wenn ich alles, was ich machen möchte, dauerhaft anbieten wollen würde, dann bräuchte ich irgendwann 1847 Stunden pro Tag (grobe Schätzung meinerseits). Ich kann aber extrem viele Serien anbieten, wenn ich nicht den Anspruch habe, dass alle Serien immer dauerhaft mit neuen Folgen „befeuert“ werden müssen.
Neue Showrunner
Und wo wir schon dabei sind: Mit jeder Staffel verändert sich in Serien häufig etwas. Mal wechseln die Autoren, mal die Regie, mal die Schauspieler. Das ist nicht immer aus Sicht aller Zuschauer gut, aber was ich daran für uns als Gemeinde gut finde: Man gibt den Angeboten eine riesige Chance, dass neue Leute einsteigen, alte nicht verbrannt werden und zugleich konstant neue Ideen und neue Kräfte hinzukommen.
Bestenfalls kann es auch so aussehen: ich habe eine neue Serie gestartet und noch ein paar Staffeln stelle ich fest: da sind inzwischen Leute dabei, die können die Show selbst fahren!
Begeisterung – und kein aber?
Ihr merkt: ich bin absolut begeistert. Gibt es denn kein „Aber“ an der Sache? Na mit Sicherheit! Aber ich habe gleich ein Aber für die zwei großen Abers, die mir bislang eingefallen sind:
Bestehende regelmäßige Gruppen
Klar: es gibt Gruppen bei uns, die finden „schon immer“ jede Woche oder jeden Monat statt. Dürfen die das nicht mehr? Doch, natürlich! So wie es ja auch GSZS gibt, darf es auch in Gemeinden Serien geben, die einfach „immer“ laufen. Aber auch da kann man in Staffeln denken. Und sei es von Sommer zu Sommer , quartalsweise oder in anderen größeren Abständen.
Gleichzeitig glaube ich, dass diese Serien/Staffel-Idee gerade viele der langjährig bestehenden Konzepte konstruktiv herausfordern und dadurch fördern kann.
Nachfrage nach Sicherheit
Manche werden sagen: projektorientiertes Arbeiten ist nicht für alle etwas. Und das stimmt. Aber soweit ich das bislang gelesen, verstanden und gehört habe: für immer mehr – Tendenz stark steigend. Entsprechend ist dieses System aus meiner Sicht eines mit Blick in die Zukunft, auch wenn es aufpassen muss, dass es nicht zu 100% blind über alles „drüber gestülpt“ wird.
Und digital?
Eines habe ich bislang doch glatt unterschlagen: ich habe dieses Staffel/Serien-System heute auch komplett auf alle digitalen Angebote angewandt. Das bedeutet beispielhaft für meine neue PodcastSerie „VITA MIT C„: ich hatte die Idee für dieses Angebot/für diese Serie und habe sie zeitlich begrenzt ins Leben gerufen. Ostermontag bis Pfingstmontag. Das ist sozusagen Staffel 1. Danach wird es erstmal aufhören. Aber weil die Nachfrage nach dem Podcast in letzter Zeit durch die Decke schießt, wird es mit Sicherheit eine nächste Staffel geben.
Der Punkt ist nur: es erleichtert mich extrem, dass ich nach Staffel 1 auch erstmal Pause machen darf. Ich könnte das Pensum gar nicht jeden Tag im ganzen Jahr durchhalten. Und außerdem: bei meinem anderen relativ neuen Podcast „#notmyhome“ wird es nach Staffel 1 vermutlich keine Fortsetzung geben, da dort die Abrufzahlen einfach deutlich schlechter waren als bei VITA MIT C. Der Vorteil an dem „Staffel“-Denken ist: ich kann aufhören, ohne dass ich etwas abbrechen muss. Es wird einfach keine Staffel 2 geben. Punkt.
Oder nehmen wir die Predigth@ppchen auf Youtube. Da läuft derzeit noch Staffel 1 und dann werde ich mir gut überlegen, ob es eine zweite Staffel gibt. Einfach weil es sehr viel Arbeit ist und bislang relativ wenige die Videos anschauen. Heißt das, dass ich nichts mehr auf Youtube mache? Nö, aber ich werde dann wohl ein neues Angebot/eine neue Serie starten.
Letzte Worte?
Abschließend zum Digitalen: auf meinem Blog hier habe ich schon alles auf Serie/Staffel/Folge umgestellt. Auf unserer Gemeindewebseite wird das noch ein wenig dauern. Ich werde ja diese Idee an sich überhaupt erst einmal in der Gemeinde jetzt „pflanzen“, vorstellen, dafür Werbung machen… und dann vermutlich nach den Sommerferien mit dem Konzept durchstarten.
Aber ich merke, wie mich dieses an Netflix bzw. Serien/Staffeln/Folgen angelehnte und letztlich projektorientierte Arbeiten in meiner Arbeit beflügelt. Aus meiner Sicht tut es mir gut, uns als Gemeinde gut und allen, die hier mitarbeiten auch.
Von daher kann ich in jeglicher Hinsicht nur dafür werben und werde dann in spätestens einem Jahr mal ein Zwischenfazit ziehen. Wer mich, diesen Blog oder unsere Gemeinde „verfolgt“, der wird aber mit Sicherheit sozusagen „am offenen Herzen“ die „Transformation“ unserer Gemeindearbeit mitverfolgen können.
Am einfachsten geht das übrigens, wenn du meinen Newsletter hier auf juhopma.de und den Gemeindenewsletter der Auferstehungskirche abonnierst 😉 Just saying…
Lieber Jonas,
ich glaube, dass dieses Konzept sicher die genannten Vorteile bietet.
Ich könnte mir vorstellen, dass es gut für die Gemeinde ist, wenn man z.B. Hauskreise durchaus dauerhaft als Halt für manche Gruppen (vor allem für Ältere) anbietet, die sonst evtl. das Gefühl bekommen, ausrangiert zu werden, nicht mehr gebraucht, gewertschätzt zu werden. Gemeinde lebt – glaube ich – auch von und durch die „Treuen im Lande“.
Aber vielleicht verstehe ich das auch zu einseitig. Für mich war – vielleicht durch meine Prägung – Verbindlichkeit und Beständigkeit ein Kern der Gemeinde(-arbeit), um den sich dann manches/vieles gruppieren kann. Vielleicht ist das Bild überzogen: Das Fruchtfleisch einer Kirsche ist lecker und attraktiv, der Kern bildet das neue Leben aus. (Allerdings auch periodisch). Gottes Segen möge dich und deine Arbeit begeleiten.
Lieber Konrad,
vielen Dank für deine Gedanken. Ich bin da ganz bei dir – und für diese Fälle würde ich dann auf Serien setzen, die sehr viele Staffeln sozusagen haben 😉